Für Personaler:innen ist der Return on Learning der „holy grail”. Denn er ermöglicht es ihnen, den Erfolg von Lerninitiativen gegenüber Entscheider:innen auszudrücken – und zwar mit einer vertrauten Kennzahl: dem ROI. Wir erklären, warum die Suche nach diesem Heiligen Gral allerdings allzu oft erfolglos bleibt – und zeigen, wie man sich dem ROI of Learning dennoch nähern kann.
Sie sind bislang noch rar, aber es gibt sie: Beispiele von Unternehmen, die den ROI of Learning für sich berechnet haben. Und das kann zu echten Wettbewerbsvorteilen führen.
Denn wer die finanziellen Auswirkungen von Weiterbildungsmaßnahmen kennt, kann seine Weiterbildungslandschaft systematisch optimieren und die Daten als Entscheidungsgrundlage für weitere Investitionen nutzen.
Allerdings tun sich nicht ohne Grund viele HR-Abteilungen schwer damit, monetäre Effekte von Weiterbildungsmaßnahmen zu ermitteln und auch monetär zu beziffern.
Die Herausforderungen sind vielfältig. Allen voran ist die Aussagekraft solcher Berechnungen immer abhängig von der Datengrundlage des jeweiligen Unternehmens. Und nur wenn Kosten und Nutzen detailliert dokumentiert sind und sich diese Daten auch für die ROI-Berechnung vollständig isolieren lassen, steht am Ende ein valider Wert.
Und das ist nur der Anfang.
5 Gründe, warum Personaler:innen keinen ROI of Learning messen (können)
Im Kern sehen sich die meisten Unternehmen bei der ROI-Berechnung diesen fünf Fallstricken gegenüber:
1. Der Aufwand zur Ermittlung eines Return on Learnings ist hoch
Um Rückschlüsse auf den Erfolg von Weiterbildungen ziehen zu können, kommen Personaler:innen nicht um einen gewissen Aufwand herum. Für die Berechnung müssen eine ganze Reihe an Faktoren berücksichtigt werden.
Zum einen gilt es, die Kosten der Weiterbildung möglichst detailliert zusammenzustellen. Dazu zählen Software und Personalkosten bei E-Learning-Weiterbildung und zusätzliche Ausgaben, u.a. für Material, Räumlichkeiten, Reise und Trainer:innen.
Zum anderen müssen die Nutzenaspekte der Weiterbildung gesammelt und gegebenenfalls in monetäre Werte umgerechnet werden. Das können etwa Produktionssteigerungen sein, Reduzierungen von Fehlermeldungen oder Zeitersparnisse bezüglich der Arbeitsstunden.
Je nach Nutzen benötigen Personaler:innen allerdings mitunter mehrere Zwischenschritte, um etwa Produktionssteigerungen an einen konkreten Geldbetrag zu knüpfen.
2. Es fehlt an einer umfassenden Datenbasis über Nutzen und Kosten von Weiterbildungen
„Das Thema Personalentwicklung und Weiterbildung verfolgen wir als junges Unternehmen seit zwei Jahren strukturiert. Wir haben wenige Daten aus der Vergangenheit und die zumeist nur in Exceltabellen. Zudem lag bisher kein Fokus darauf alle Kosten rund um das Thema Lernen, Fort- und Weiterbildungskosten separat zu erfassen. Auswertungen zu dem Thema geben bisher also kein vollständiges Bild.“
L&D-Managerin eines Handelsunternehmens
So ähnlich ergeht es vielen Unternehmen in unterschiedlichsten Bereichen. Eine Grundvoraussetzung zur Nutzenberechnung ist allerdings eine Datenbasis, die die notwendigen Kennzahlen zur Messung des wirtschaftlichen Erfolgs von Weiterbildungsmaßnahmen abdeckt.
Außerdem müssen bei einer ROI-Berechnung möglichst alle relevanten Daten vor und nach bzw. ohne und durch die Einführung des Lernprogramms einfließen.
Wenn eine ROI-Berechnung beispielsweise lediglich auf der Kostenersparnis des Lernprogramms basiert, kann der ROI unter Umständen negativ ausfallen, trotz etwaiger Produktivitätsgewinne und Organisationsersparnisse, die beispielsweise mangels Daten nicht berücksichtigt wurden – ganz zu schweigen von nicht monetär erfassten Faktoren!
Die Aussagekraft des ROI muss vor diesem Hintergrund also immer kritisch hinterfragt werden!
3. Die Kosten und Nutzen der Weiterbildung lassen sich nur schwer isolieren
Um den Effekt von Lernangeboten zu isolieren, können Unternehmen entsprechende Kennzahlen vor und nach der Einführung der Angebote messen. In der Praxis ist dies oft schwierig: Die meisten Unternehmen haben bereits zahlreiche Lernangebote installiert. Und diese internen Lernkonzepte befinden sich in der Regel in einem konstanten Wandel. Ein klar abgegrenztes „Vorher” gibt es oft nicht.
Eine weitere Möglichkeit besteht in diesem Fall darin, eine Kontrollgruppe zu definieren, die keinen Zugang zu den Lernangeboten hat. Verständlicherweise wollen die meisten Unternehmen keiner größeren Gruppe von Mitarbeitenden den Zugang zu Lernangeboten für längere Zeit verweigern.
Die Beratungsfirma Accenture hat bei ihrer ROI-Berechnung keine der beiden gängigen Methoden genutzt, sondern zwischen Viel- und Weniglernenden unterschieden.
4. Externalitäten lassen sich nur schwer ausschließen
Sind Performance-Steigerungen und Produktivitätszuwächse einzelner Mitarbeitenden wirklich auf eine bestimmte Weiterbildungsmaßnahme zurückzuführen? Möglicherweise haben auch Gehaltserhöhungen oder Veränderungen im Team für zusätzliche Motivationsschübe gesorgt – ganz zu schweigen von Veränderungen privater Umstände bei Kolleg:innen.
Darüber hinaus können auch weitere Faktoren eine Rolle spielen, wie Konjunktur oder Veränderungen in der Unternehmens- und Führungskultur. Solche Externalitäten lassen sich nur schwer von den Effekten des Lernangebots isolieren und schränken die Aussagekraft eines ROI-Werts weiter ein.
5. Qualitative Lerneffekte lassen sich nicht in Geldwert übersetzen
Weiterbildungsmaßnahmen können viele positive Kosteneffekte nach sich ziehen. Allerdings lassen sich mit der ROI-Formel nur unmittelbar geldwerte Effekte ausdrücken. Weitere Lerneffekte, beispielsweise ein Kompetenzerwerb oder eine verbesserte Kommunikationskultur, können kaum bis gar nicht monetär erfasst werden.
Lerneffekte, hinter denen kein Euro-Zeichen steht, bleiben in der ROI-Berechnung also außen vor – eine weitere Einschränkung der Aussagekraft. Allerdings gibt es mit dem Learning Transfer Evaluation Modell alternative Konzepte, um nicht monetär messbare Lerneffekten zu ermitteln.
ROI of Learning: Herausfordernd, aber…
Die Gründe dafür, dass Personaler:innen sich mit einer ROI-Berechnung schwertun, sind also durchaus berechtigt. Ein hoher Aufwand bei eingeschränkter Aussagekraft mögen abschreckend wirken.
Damit der ROL nach der ROI-Formel eine belastbare Aussagekraft hat, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Daten bzgl. Nutzen und Kosten der Schulung können vor und nach der Einführung eines Lernangebots erhoben werden – oder mit einem Referenzzeitraum verglichen werden.
- Weitere Einflussfaktoren lassen sich herausrechnen.
- Die ROI-Berechnung dient lediglich einer Einschätzung des Einflusses monetär messbarer Faktoren.
Und dennoch: Annäherungen an den ROI of Learning sind möglich und auch sinnvoll – und zwar aus folgenden drei Gründen:
- Die Berechnung des ROI of Learning liefert Personaler:innen eine bessere Einschätzung des Erfolgs bestimmter Maßnahmen. Sie müssen sich nicht allein auf ihr Bauchgefühl oder anekdotische Ausführungen von Anbietern verlassen.
- Außerdem schafft der ROI eine Gesprächs- und Argumentationsgrundlage gegenüber der Führungsebene. Mit ihm kann Erfolg in verständlicher Sprache ausgedrückt und Weiterbildungen zum Controlling- und Management-Thema entwickelt werden.
- Gerade im E-Learning-Bereich lassen sich bestimmte Kennzahlen zu Lerneffekten zunehmend leichter erfassen, sei es die Teilnahme an Kursen, die Abschlussrate von Lektionen oder die Bewertung von Kursen anhand von Online-Befragungen.
ROI of Learning schlägt Bauchgefühl
Angesichts des steigenden Bedarfs und wachsenden Angebots an Lernlösungen wird es für Unternehmen zunehmend wichtig, ihre Lernlandschaft mit Weiterbildungsinitiativen zu bestücken, die wirtschaftlich und strategisch sinnvoll sind. Allein auf das Bauchgefühl wird man sich nur noch schwer und ungern verlassen können.
Eine Kennzahl wie der ROI of Learning kann Entscheidungen vereinfachen und verbessern – selbst wenn seine Aussagekraft immer kritisch zu hinterfragen ist. Insofern stellt der ROI einen wichtigen Schritt zu einem systematischen Bildungscontrolling dar.